Zusammenfassung der Autobiographie Simon Malkès‘
Die von Simon Malkès geschriebene und von Dr. Beate Kosmala aus dem Französischen ins Deutsche übersetzte Autobiographie thematisiert den von Simon Malkès erlebten Holocaust in Wilna, Litauen. Dabei geht er auf die Geschichte seines Lebens vor der Shoah , während und nach der Shoah ein. Zudem wird der harte Weg beschrieben, der zu beschreiten war, um Karl Plagge dafür, dass er die Familie Simon Malkès‘- sowie weitere Juden gerettet hat, posthum von Yad Vashem zum „Gerechten unter den Völkern“ auszuzeichnen.
Meine persönliche Bewertung der Autobiographie:
Ich finde, die Biographie gewährt dem Leser einen Einblick, um sich perfekt in wichtige Aspekte des Lebens von Simon Malkès hineinversetzen zu können. Es gelingt ihm, einen menschlichen Zugang zu so etwas Unmenschlichem wie der Shoah zu öffnen. Bei einem Thema, welches sonst sehr auf Faktenvermittlung und Tötungsbilanzen beruht und durch seine starke Monstrosität dazu einlädt, sich davon zu distanzieren, baut er uns eine Brücke, die es uns erlaubt, uns menschlich mit der Thematik auseinanderzusetzen. Er zeigt, wozu Menschen unter bestimmten Bedingungen fähig sind und was der Mensch dem Menschen antun kann.
Dazu fällt mir vor allem die Situation ein, wie Malkès – zusammen mit zehn anderen – tagelang in einer Maline (einem notdürftig gebauten Versteck) ausharren musste. Ohne Wasser, ohne Lebensmittel – unter unerträglichen Umständen. Er beschreibt, wie sie das Wasser der Atemluft von den Wänden lecken mussten und noch viel mehr.
Solch ein unvorstellbares Ereignis darzustellen, wie Menschen unter solch einen großen Druck geraten, dass sie sich gegenseitig umbringen müssen, um zu verhindern, selbst von den Verfolgern umgebracht zu werden, zeigt den Lesern eine neue Perspektive, die in den Fachbüchern und Medien selten aufgegriffen wird. Diese Tragödien haben in der heutigen Zeit wieder eine erschreckende Aktualität gewonnen. z. B. wenn wir hören, wie Flüchtlinge Notsituationen handhaben, wenn sie – dichtgedrängt auf engstem Raum in wankenden Schlauchbooten zusammengepfercht – das rettende Ufer erreichen wollen...
Spannend fand ich besonders, welchen Kontrast er zeichnet zwischen dem Leben vor der Besatzung Wilnas durch die Deutschen (als seine Familie sich ein sehr gutes Leben dort hatte aufbauen können) und den Erniedrigungen und existentiellen Bedrohungen durch den Holocaust. Genauso beeindruckend fand ich, wie es ihm nach den traumatisierenden Erlebnissen während der Zeit der Verfolgung nach dem Zweiten Weltkrieg gelungen ist, ein erfolgreiches und gelungenes Leben zu führen. Heute lebt er mit seiner Frau in Paris und ist jederzeit bereit, Schülerinnen und Schülern Fragen per E-Mail zu beantworten.
Es war eine neu hinzugewonnene Erfahrung am 17.01.2017 bei der Podiumsdiskussion an der Lichtenbergschule in Darmstadt erneut das Gespräch mit einem Zeitzeugen zu suchen. Damit verbunden konnte ich schon vorab mithilfe des Buches, das seine Geschichte erzählt, eine gewisse Bindung zu ihm aufbauen. Dadurch gelang es mir zum einen, ein besseres Verständnis für sein Gesagtes aufbringen zu können und zum anderen die daraus hervorgehende Nähe bei der Wiedergabe seiner traumatisierenden Erinnerungen zu spüren.
Die durch das Buch erhaltenen Eindrücke konnte ich am 04.05.2017 bei der Einweihungszeremonie des Karl-Plagge-Hauses an die Gäste der TU weitergeben. Es war mir persönlich eine Ehre, eine Bindung zwischen den Leuten, die später vielleicht in diesem Haus arbeiten oder ein und aus gehen und ihrer Auseinandersetzung mit der Shoah zu schaffen. Wenn ich darüber nachdenke, warum die TU Darmstadt dieses neue Gebäude, das für die Internationalität der Stadt steht, Karl-Plagge-Haus zu nennen, freue ich mich darüber, das Interesse vieler Menschen auf die Frage gelenkt zu haben, warum die wenigen „Helden der Shoah“ so handelten und was ihre Motive waren. Außerdem ist wichtig zu fragen, warum insgesamt nur so wenige Menschen ihre Handlungsspielräume so wie Major Karl Plagge zu nutzen verstanden, um unter schwierigen Umständen menschlich zu handeln.
Die Aufklärung darüber, wer Karl Plagge – jener weithin unbekannte „Schindler Darmstadts“ - war und welche tiefsinnigere Bedeutung seinen Rettungstaten zukommt, wenn man sie mit den Augen der Überlebenden (wie z. B. Simon Malkès) betrachtet, war mir ein großes Anliegen. Und es war eine große Freude, dass Simon Malkès das Engagement unserer Projektgruppe „Schüler Gegen Vergessen Für Demokratie“ der Lichtenbergschule Darmstadt während der Podiumsdiskussion und bei der dialogischen Führung durch die Ausstellung sehr begrüßte. Die Einweihungszeremonie eignete sich bestens, um auf diese Weise - im Dialog mit einem Überlebenden sowie mit einem Patensohn Karl Plagges und im Dialog mit den Gästen der von der Geschichtswerkstatt Darmstadt realisierten Ausstellung einen kleinen Beitrag gegen das Vergessen der Geschichte leisten zu können.
Fatima Haji, 16.01.2017, Fassung vom 11.10.2017