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Rezension

„12 Years a Slave“ von Solomon Northup

rezensiert von Janik Wilhelm, 12. Klasse Lichtenbergschule, Darmstadt

Die US-amerikanische Unabhängigkeitserklärung wurde am 4. Juli 1776 vom Kongress angenommen und besagt: „Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht, dass alle Menschen gleich erschaffen worden, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt worden, worunter sind Leben, Freiheit und das Bestreben nach Glückseligkeit.“

In Zeiten vor dem Amerikanischen Bürgerkriegs müssen sich diese Worte wie Hohn angefühlt haben für die Massen von farbigen Sklaven, die sich auf den Zucker- und Baumwollplantagen des Südens quälten. Solomon Northup war einer dieser Sklaven auf den Feldern zahlreicher Meister, einige davon mitfühlend, aber eine Vielzahl unmenschlich. Auf den ersten Blick erscheint seine Geschichte eine weitere unglückliche unter Millionen anderer; im Unterschied zu anderen Sklaven jedoch wurde Northup niemals zu einem solchen erzogen. Als Farbiger wurde er 1841 aus seiner Heimat New York entführt und seiner freiheitlichen Rechte beraubt; zwölf Jahre später, im Jahr 1953, mit wieder gewonnener Freiheit, schrieb Northup eine Darstellung seines Aufenthalts am Bayou Boeuf in Louisiana, seinen Roman „12 Years a Slave“.

Northup kommt im Juli 1808 in Washington County, New York als Sohn von Mintus Northup, einem befreiten Sklaven, zur Welt. Dieser arbeitete in seiner Jugend als Sklave für die Northups und nahm nach seiner Freilassung deren Nachnamen an. Im Alter von 21 Jahren heiratet sein Sohn, Solomon, Anne Hampton, die Nachfahrin afrikanischer und europäischer Einwanderer und amerikanischer Eingeborener. Während der folgenden 21 Jahre genießen die Northups vergleichsweise finanzielle Sicherheit; in vielen unterschiedlichen Berufen eignet sich Solomon Northup breit gefächerte, für das spätere Leben in Sklaverei äußerst nützliche Fähigkeiten an. Am meisten genießt Northup seine Beschäftigung als Geiger, die ihn an einigen noblen Festivitäten teilnehmen lässt; seine musikalischen Fähigkeiten sind weit bekannt und werden geschätzt.

An einem späten Märztag des Jahres 1841 schließlich – zu dieser Zeit ohne eine bestimmte Beschäftigung – geht Northup im Stadtpark spazieren und trifft zwei Männer, die sich als Mitglieder einer Zirkusgesellschaft vorstellen. Auf der Suche nach musikalischer Unterstützung bieten sie Northup an, sie auf ihrer Reise nach New York zu begleiten. Northup willigt ein, begleitet sie – ohne Frau oder Kinder zu informieren – sogar bis ins ferne Washington und – beeindruckt von den Sorgen seiner Begleiter um seine Sicherheit – vertraut schnell deren gutem Willen. Diese anscheinende Sicherheit ist jedoch trügerisch. Eines Nachts zeigt Northup Anzeichen einer Krankheit, die sich durch gewöhnliche Kopfschmerzen ankündigt, gefolgt von starken Schmerzen. Schließlich wird er bewusstlos, gefangen genommen und seiner Papiere beraubt. Seine Begleiter hatten ihn vergiftet. Northup wird versklavt; er verliert seine Identität.

Northups weitere Reise führt ihn vorbei an den Bahamas, Florida, nach New Orleans, den Mississippi und Red River entlang, und endet am Bayou Boeuf, in einer warmen, sommerlichen, von Sümpfen, Wäldern und alten Gewässern bedeckten Region. Platt – so wird Northup nun genannt – wird wie ein simples Objekt verkauft, das nun von der Gefühlsregung des Meisters abhängig ist. Er wird ausgepeitscht aus keinem anderen Grund als der Freude der Weißen. Eines Tages hängt ihn sein Meister mit mehreren Seilen an den Ast eines Baumes, sodass nur seine Füße den matschigen Boden berühren. Seine Rettung wird bewusst um Stunden hinausgezögert, während Northup leidend unter der sengenden Sonne steht. Zwölf Jahre lang erlebt er, wie Mitsklaven ihren Lebenswillen verlieren, langsam an Demütigung und körperlicher Ausbeutung sterben, ohne dass eine Seele ihren Tod bedauert außer aus Trauer um verlorenes Eigentum. Northup nimmt Notiz von dem, zu was Menschen imstande sind, von menschlichen Wesen, die um jegliche Rechte betrogen werden aus dem simplen Grund ihrer dunklen Hautfarbe.

Northups Roman bietet einen einzigartigen Einblick in die Verbrechen der Sklaverei; seine detailgenaue Beschreibung ist beispiellos, auch wenn es nicht notwendig erscheint, das Säen, Pflanzen, und Ernten von Zucker und Baumwolle auf mehreren Seiten zu erläutern. Northup misst keine einzige Gelegenheit, Beweise seines Schicksals zu leisten; er schreckt nicht davor zurück, seine Entführer bei richtigem Namen zu nennen und ihre Taten öffentlich anzuprangern. Seine Sprache zeigt einen möglichst unvoreingenommenen Blick der Sklaverei, obwohl sie auch die Gefühle und Gedanken Northups authentisch illustriert. Sein Schreibstil ist häufig kompliziert; er wirkt ungewöhnlich und altmodisch.

Die inspirierende Geschichte der illegalen Gefangennahme Solomon Northups veranlasste gar die Filmindustrie in USA und Großbritannien, den Roman als Vorlage für einen Film zu verwenden. Steve McQueens „12 Years a Slave“ wurde zu einem international gefeierten Erfolg. Obwohl der Handlungsverlauf nicht immer dem des Buches folgt, erreicht der Film das Ziel, die Atmosphäre von Northups Qualen zu vermitteln. Dank der Leistung des Schauspielers Chiwetel Ejiofor in der Rolle von Solomon Northup geht kein Aspekt des komplexen Charakters verloren oder bleibt unbeachtet; dieser Film ist ein Muss!

Ohne Vorbehalte empfehle ich das Lesen dieses hervorragenden Stücks der afroamerikanischen Literatur, da es sowohl sprachlich als auch inhaltlich überzeugt. Explizit möchte ich das Buch nicht nur Historikern empfehlen, sondern auch der breiten Öffentlichkeit. Die Ereignisse in der US-amerikanischen Kleinstadt Ferguson im Sommer 2014 zeigten deutlich, dass, obwohl das Kapitel der Sklaverei beendet sein mag, der Weg zur Gleichheit der Weißen und Farbigen in den USA noch bis in absehbare Zukunft nicht abgeschlossen sein wird.


Text von Janik Wilhelm, 12. Klasse Lichtenbergschule, Darmstadt

geschrieben am: 27. Dezember 2014 unter der Betreuung von Margit Sachse

veröffentlicht auf Lesepunkte.de